Zeitzeichen in der Klimakrise
Hesses Sturm, Kaschnitz‘ Bären, Huchels Psalm
Hesses Sturm, Kaschnitz‘ Bären, Huchels Psalm
Die Stunde, in der Europa erstmals auf diese Art ‚emotional‘ erwachte, schlug 1919, in einer vom Krieg verwüsteten Landschaft mitten auf unserem Kontinent. Dort treffen zufällig aufeinander: ein junger Franzose, eine Engländerin, mehrere Deutsche, darunter ein Kriegsgefangener sowie zwei „Grenzlandeuropäer“ aus Polen und Spanien, die auf den Schlachtfeldern Metall und Knochen sammeln. Sie verfügen kaum über die sprachlichen Voraussetzungen, sich miteinander zu verständigen.
"Kurt Oesterles Roman lebt vom Vorschein einer neuen menschlichen Gemeinschaft in Europa, die Vergangenes nicht umzudeuten versucht, sondern anerkennt, um im konkreten Handeln zu zeigen, daß eine Gegenwelt möglich ist."
Inge Jens
In diesem Vortrag soll der Gottesbegriff nachgezeichnet werden, den das Grauen der Todeslager hervorgebracht hat.
Zu Wort kommen Denker wie Hans Jonas oder Emil Fackenheim, die sich als Philosophen dazu geäußert haben, aber auch neuere Ansätze aus der feministischen Theologie des Judentums
in den USA.
Ebenso werden religiöse Zeugnisse von Überlebenden oder literarische Werke wie die Prosadichtung "Jossel Rakovers Wendung zu Gott" herangezogen, in der es heißt:
"Ich glaube an den Gott Israels, auch wenn Er alles getan hat, daß ich nicht an ihn glauben soll."
Die Frage nach "Gott in Auschwitz" wurde aber nicht allein aus religiösen oder theologisch-philosophischen Gründen gestellt,
sondern um den Nachgeborenen generell ein Anstoß zu vertiefter Reflexion über den Holocaust zu sein. Auch nicht-jüdische Intellektuelle haben
sie aufgegriffen, damit Gläubige wie Ungläubige dieselben Konsequenzen ziehen und alles tun, um Vergleichbares künftig zu verhindern – ganz im Sinne von
Eugen Kogons Verdikt aus den siebziger Jahren: "Auschwitz hat bisher nicht das in uns bewirkt, was es hätte bewirken sollen."
Ein Versäumnis, das für den katholischen Theologen Johann Baptist Metz nur dadurch zu beheben ist, daß wir unsere "Entschuldigungen und Verharmlosungen"
durchschauen und "endlich zuhören, was Juden von sich selbst und über sich selbst sagen"; hier setzt der Vortrag an."
Kurt Oesterle
Dieser Vortrag kann als gedruckte Broschüre beim Verfasser bezogen werden.
"Otto ist ein kritischer Vertreter der alten, noch sehr westlichen Bundesrepublik, der den Mainstream fürchtet – und lieber einsam bleibt
als in falscher Gemeinschaftlichkeit unterzutauchen, also keiner von den alten weißen Männern, die schon – allein um zu schockieren – rechte Sprüche klopfen
und sich so abstoßend wie möglich aufführen in einer Art von verspäteter Pubertät."
Kurt Oesterle
"In der deutschen Literatur gibt es weit mehr judenfeindliche als judenfreundliche Texte: bei rund einem Dutzend aber bin ich der
Überzeugung, daß sie im gewünschten Sinn wirken, und sie stammen alle von nicht-jüdischen Autoren, die die Perspektive der
Mehrheitsgesellschaft einnehmen, aus der die Judenfeindschaft ja stammt. Sie decken einen Zeitraum von zweihundert Jahren ab,
von der Frühemanzipation bis zur Gegenwart, und sind so ausgewählt, daß jeweils andersartige Aspekte des anti-jüdischen
Ressentiments zur Sprache kommen und die Versuche, diese literarisch zu überwinden, so vielfältig wie möglich ausfallen."
Kurt Oesterle
Sommer 1825. Zwei Tübinger Studenten entdecken während eines gemeinsamen Tagtraums die Südseeinsel Orplid - eine poetischen Ort, der sie ein Leben lang nicht mehr los läst.
Kurt Oesterle schenkt dieser merkwürdigsten Erscheinung der deutschen Literartur Konturen und erzählt von der besonderen Freundschaft ihrer Schöpfer Ludwig Amandus Bauer und Eduard Mörike. Dazu zeigt Michel Klenk Werke aus seinem Orplid-Zyklus: unserreichbare Inselgebilde aus Gold und Feuer.
"Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch." Er ist der Vers aller Verse in Hölderlins Werk. Und enthält sein gesamtes Dichtungsprogramm. Der Dichter liebte diese Art, Worte zu ballen zu einer prophetischen und zugleich delphisch dunklen Aussage. Für ihn war es das Höchste, was Sprache zu leisten vermag. Ihre Energie, ihre Sprengkraft verdichten sich in einem kleinen, doch kompakten Kern. Ein Vers wie ein Kugelblitz! Der in die Welt springt, sie erleuchtet und entzündet – und eine neue Wirklichkeit gleichsam explosiv hervortreiben soll.
Friedrich Hölderlin war das Kind einer gewaltigen Zeitenwende. Schon als 20-Jähriger setzte er auf das „Geschlecht der kommenden Jahrhunderte“, also auch auf uns, seine fernsten Nachgeborenen. Doch können wir ihn überhaupt noch verstehen: die hochkomplexe Sprache seiner Gedichte, Dramen und Aufsätze? Dies soll in diesem Buch ergründet werden, und zwar auf mehreren Feldern – so etwa Hölderlins Vorstellung einer göttlichen Natur, die von den Menschen geschont werden muss; oder seinem Entwurf von Demokratie und gerechter Verteilung (im „Empedokles“); seinem Traum einer friedlichen Rolle der Deutschen in Europa sowie einer nicht beengenden Heimat und Nation; dann zusammen mit Hegel seiner Entdeckung der „Weltgeschichte“ als eines globalen Raum- und Zeitzusammenhangs; außerdem seiner Idee einer Sprache, die mehr ist als nur Kommunikationsmittel und in der nicht-entfremdete Menschenbeziehungen begründet sind (im „Hyperion“). Darüber hinaus soll wenigstens in Umrissen gezeigt werden, weshalb Hölderlin nach langer Vergessenheit und Verkanntheit eine einzigartige Rezeption rund um den Erdball zuteil wurde – nämlich weil er in der Spiritualität so vieler, teils sehr entlegener Kulturen ein Echo gefunden hat. Eine Schlussüberlegung gilt der nicht einfachen Frage, wieso man ihn einen großen Dichter nennen muss.
Bedeutsam im Zusammenhang mit Friedrich Hölderlin ist Oesterles mit einem vielbeachteten Essay eingeleitete und kommentierte Herausgabe des berühmten Porträt-Bandes von Wilhelm Waiblinger: „Friedrich Hölderlins Leben, Dichtung und Wahnsinn“ (2017). Zuletzt Mitarbeit bei mehreren Hölderlin-Produktionen für Funk und Fernsehen, etwa des Südwestrundfunks sowie von ARTE
Essays wie Mahnmale
Wie lange wirken Kriege nach? Nicht materiell, sondern mental, »traumatisch«? Dieser Frage geht Kurt Oesterle in seinen Essays nach. Einmal indem er die eigene Familiengeschichte seit 1914 erforscht und die »Erbschaft der Gewalt« zutage fördert, die über drei Generationen weitergegeben wurde. Dazu kommt auch die im Ersten Weltkrieg an der Somme-Front gemachte britische Kriegserfahrung in den Blick, die in Deutschland kaum je wahrgenommen wurde. Sodann geht es um das nur mehr schwer verständliche Phänomen Verdun, und zwar sowohl als Schlacht- wie als Gedächtnisort – und auch als niemals wieder preiszugebende europäische Erfahrung.
»Mich treibt oft die Sorge um, was da wohl insgeheim mit uns reist. Welche blinden Passagiere in unserer Seele, unseren Mentalitäten haben wir denn an Bord? Gerade in Deutschland scheint mir diese Frage von besonderer Bedeutung. Kein Land in Europa hat zwischen 1914 und 1989 so viele teils gewaltsame Auf- und Untergänge erlebt.« Kurt Oesterle
"Alle hätte eine reiche Mitgift einzubringen - Heimatsplitter gewissermaßen in ein unvermeidlich zu errichtendes künftiges Weltgebäude. Ich bin überzeugt, daß das literarische Erbe der Regionen und kleinen Räume sich auch vor einem noch weiteren Horizont als dem nationalen oder europäischen bewährt, zugunsten einer globalen Zivilgesellschaft, die hoffentlich für alle lebenswert sein will."
(aus dem Vorwort)
Inhaltsverzeichnis öffnen PDF eBookPDF eBook
Der Titel "Reuchlin oder Luther" spielt darauf an, daß hier zweierlei Verhältnis zu den Juden am Ausgang des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit herausgestellt werden soll: ein aufgeschlossen-freundliches sowie ein verschlossen-feindseliges. Letzteres, das Luthersche, hat in der Geschichte die Oberhand behalten und die Judenfeindschaft mit den Mitteln einer für den Protestantismus typischen Vermengung von Politik und Theologie tief und dauerhaft in der deutschen Kultur eingewurzelt. Hätte das von Reuchlin vorgeschlagene Verhältnis zu den Juden obsiegt, hätte die Beziehung zwischen Juden und Christen in Deutschland eine andere Entwicklung nehmen können.
September 2017
Krieg und Kriegstrauma bei den britischen Truppen an der Somme - im Spiegel literarischer und persönlicher Zeugnisse
Großbritannien hat während des Ersten Weltkriegs vor allem in drei Schlachten die meisten Soldaten verloren: 1916, in der Somme-Schlacht, 420.000; 1917, in der letzten Flandern-Schlacht, 275.000; 1918, in den Kämpfen, die dem Durchbruch bei Amiens folgten, noch einmal 350.000. Allein in diesen drei Schlachten sind mehr als eine Million Briten getötet und verwundet worden oder galten danach als vermißt. Wofür? Das war vielen Kriegsteilnehmern zeitlebens nicht klar.
Martha, eine junge Frau von zwanzig Jahren, erlebt den Zusammenbruch einer Diktatur, die sie voll und ganz bejaht hat. Aus Angst vor der Rache der Sieger beschließt sie, schnellstmöglich Kinder zur Welt zu bringen, in der Hoffnung, eine Mutter werde auf jeden Fall geschont. Sie gebiert rasch hintereinander zwei Jungen, denen sie zusammen mit Paule, ihrem Mann, dem Vater, im Niemandsland zwischen Diktatur und Demokratie allerdings nur wenig zu bieten hat: Martha, eine kraftvolle, aber gebrochene Person, die aufgrund der falschen Überzeugungen und Werte, die sie noch in sich trägt, ihre Kinder nicht für die Zukunft erziehen kann.
»So anders«, so intensiv hat man von der unmittelbaren Nachkriegszeit noch selten gelesen.
Vortrag, gehalten am 16. Oktober 2015 in meiner Heimatgemeinde Oberrot aus Anlaß der Ernennung des Schwäbischen Waldes zur Kulturlandschaft des Jahres durch den Schwäbischen Heimatbund.
"Der Schwäbische Wald steht nicht im Lexikon, heißt es in einem Merianheft, das dieser Landschaft gewidmet und Mitte der sechziger Jahre erschienen ist. Im Lexikon fanden sich allenfalls die Namen seiner Teillandschaften, des Mainhardter, Murrhardter oder Welzheimer Walds.
Schon lange vor der Ernennung des Schwäbisch-Fränkischen Waldes zur "Kulturlandschaft des Jahres" wurden mehrere Anläufe unternommen, dieser Region mit publizistischen Mitteln Aufmerksamkeit und Zuneigung zu verschaffen.
Ein Roman à deux über das Groß- und Erwachsenwerden unter gegensätzlichen Bedingungen. Anrührend, sehr schön erzählt. Voller Sprachbrillanz. Flüchtling und Einzelkind zwei Figuren, die gegensätzlicher kaum denkbar sind, und sie werden in einer Welt, in der die kinderreichen Armen in immer größerer Zahl zu den kinderarmen Reichen fliehen, noch oft aufeinanderprallen.
In Verdun bewegt sich das menschliche Gedächtnis an der Grenze seiner Möglichkeiten. Was immer es unternimmt, um das Ungeheure, das sich dort zutrug, für die Nachwelt festzuhalten, scheint zu wenig
Richard Gölz (1887-1975) war ab 1935 in Wankheim bei Tübingen Gemeindepfarrer. Im Gemeindehaus fanden untergetauchte Juden Asyl. Ein Dorfbewohner meldete das der Polizei. Gölz wurde verhaftet.